SCHATTENPOLITIK ÜBERWINDEN, TRANSFORMATION ERMÖGLICHEN
Spätestens die Finanz- und Wirtschaftskrise 2007, der Dieselskandal, Bitcoin oder die Panama Papers haben gezeigt: Wenn sich Unternehmen in einem wirtschaftlich liberalisierten Umfeld befinden und dabei scharfer globaler Konkurrenz ausgesetzt sind, dann gibt es immer stärkere Anreize, wirtschaftliche Aktivitäten hin zu neuen Formen von Schattenwirtschaft zu verlagern. Schattenbanken, die systematische Umgehung von Umweltauflagen oder des Steuerrechts sind Beispiele hierfür.
Gleichzeitig setzen sich in etablierten Demokratien politische Kräfte durch, die „Schattenpolitik“ zum System machen. Zu diskutieren sind hier etwa die Ausgestaltung von Handelsregimes, von ökologischer Regulierung, Agrarsubventionen sowie der Investitions- und Verteilungspolitik. Nährboden solcher Schattenpolitik sind politische Konzepte, die Partikularinteressen unter der Fiktion von Entpolitisierung und Alternativlosigkeit durchsetzen. Dies hat zu einem enormen Ausmaß an Politikverdrossenheit geführt.
Wie hängen beide Phänomene, Schattenwirtschaft und Schattenpolitik, mit aktuellen ökologischen und technologischen Transformationsprozessen zusammen? Vertreter:innen der politischen Ökonomie wie Luigi Zingales und der politischen Ökologie wie Bruno Latour sind darum bemüht, erste Antworten auf diese komplexe Frage zu geben. So wird nachvollziehbar, wie zum Beispiel Phänomene wie Trumpismus mit klimapolitischen Konstellationen zusammenhängen – und wie die Macht digitaler Monopole zur politischen Macht wird.
Einige Verbindungslinien zwischen Transformation, Schattenpolitik und Schattenwirtschaft sind augenfällig: Mit großen Transformationen gehen unvermeidlich gewaltige, sogenannte Renten-Umverteilungspotenziale einher. Um mithilfe politischer Privilegien alte Besitzstände zu wahren oder neue Einkommenspotenziale zu erschließen, nehmen wirtschaftliche Akteure Einfluss auf Entscheidungen, die uns alle betreffen und somit Angelegenheiten demokratischer Politik sein sollten.
Auch Spannungszonen fallen auf: Aktuelle Klimastrategien betonen die Zentralität freier Märkte als Transmissionsriemen der Anpassung. Gleichzeitig kommt es zu erheblichen neuen Eingriffen in Märkte. Nach Jahrzehnten der Verselbständigung wird das Marktgeschehen politisch und sozial eingebettet. Die Politik, die diese Prozesse organisieren soll, agiert in einem Gefüge gut organisierter und vernetzter privater Rent-Seekers.
Auf unserer Tagung diskutieren wir, wie Schattenwirtschaft und Schattenpolitik im Sinne einer erfolgreichen sozial-ökologischen Transformation begegnet werden kann. Was muss sich dafür in der politischen Architektur unserer Gesellschaften verändern – über das absolut unentbehrliche Engagement von Organisationen wie Transparency International, Lobby Control oder Finance Watch hinaus? Hierzu laden wir alle Interessierten herzlich ein.
Für den offenen Tagungsteil sind Beiträge aus den Wirtschafts-, Sozial-, und Kulturwissenschaften willkommen, unter anderem zu den Themenbereichen Schattenwirtschaft, Korruption, Schattenpolitik, Rent-Seeking, Regulierung, Greenwashing, Geldwäsche, Transparenzregimes, mentale Modelle und Framings – gerne auch im Kontext von Gender-Studies und globalen Bezügen.
Herzliche Einladung an die Evangelische Akademie Tutzing!
Katharina Hirschbrunn, Evangelische Akademie Tutzing
Prof. Dr. Ulrich Klüh, Hochschule Darmstadt
Prof. Dr. Richard Sturn, Universität Graz