Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts zeichnen sich in der russischen Literatur epochemachende Umbrüche ab. Der heroische Ausnahmemensch wird durch den Typus des kleinen Mannes ersetzt. An die Stelle grandioser Landschaften und aristokratischer Feste tritt das Milieu der Petersburger Hinterhöfe. Statt großer Dramen wird den Lesern die «Prosa des Alltags» vorgesetzt.
Diese Entwicklung geht mit einschneidenden sozialen und gesellschaftlichen Umbrüchen einher. In welchem Russland hat Dostojewskij gelebt? Wie waren die Machtverhältnisse beschaffen, welche sozialen Probleme taten sich auf, wie sahen die verschiedenen Lebenswelten aus? In welchen dieser Lebenswelten war Dostojewskij selbst zu Hause? Diese Fragen bilden den Ausgangspunkt für die diesjährige Jahrestagung der Deutschen Dostojewskij-Gesellschaft.
Die Frage nach dem «zu Hause» wird dabei durchaus wörtlich genommen. Walter Benjamin skizziert in seinem Passagen-Werk, dass Wohnen im 19. Jahrhundert in seiner extremsten Form als Daseinszustand begriffen werden muss. Die russischen Dichter, so auch Dostojewskij, haben in ihrem Leben ganz unterschiedliche Räume bewohnt, erlebt und belebt, ihre Helden erfahren verschiedenartige Räume. Auch das ökonomische Denken im 19. Jahrhundert ist ein wichtiger Topos der russischen Literatur jener Zeit und bildet einen weiteren Schwerpunkt der Veranstaltung.
Die Tagung spürt dem russischen Alltag im 19. Jahrhundert in Vorträgen, Filmen, Diskussionen und gemeinsamer Lektüre nach. Sie sind, ob Mitglied der Deutschen Dostojewskij-Gesellschaft oder nicht, herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen!
Zeit: 8. September 2017 um 16:00 - 10. September 2017 um 12:30
Veranstalter: Evangelische Akademie Loccum, eal@evlka.de
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