Seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen Mitte März kursierte die Idee, der Ausbreitung von Covid 19 mit Hilfe der Standortdaten von Mobiltelefonen entgegenzuwirken. Anknüpfungspunkt war die bereits bestehende Praxis in anderen Ländern. In Hongkong, Taiwan, Südkorea, aber auch Polen gibt es bereits Quarantäne-Apps, denen aber unterschiedliche technische Konzepte zugrunde liegen.
Auf den ersten etwas hemdsärmeligen Anlauf per Funkzellenabfrage folgte der Versuch, mit einem europäischen Standard eine App zur Kontaktverfolgung zu definieren. Bei dem Projekt PEPP-PT (Pan-European Privacy Preserving Proximity Tracing) sollte die Information über den Kontakt mit einem Infizierten anonymisiert über zentrale Server vermittelt werden. Doch schon bald kam es zum Streit, und eine Gruppe verfolgte mit DP3T (Decentralized Privacy-Preserving Proximity Tracing) einen anderen Lösungsweg. Hier werden diese Informationen dezentral, zwischen den Smartphones des Infizierten und den Smartphones seiner Kontakte, getauscht. Parallel hierzu arbeiteten Apple und Google in ungewohnter Einigkeit an den nötigen Schnittstellen einer künftigen App, die diesen Tausch möglich macht. Um die Verwirrung zu komplettieren, brachte das Robert-Koch-Institut eine Datenspende-App heraus, die allerdings wieder ein komplett anderes Ziel verfolgt.,
Kurz: Die Lage ist unübersichtlich, und die Ungeduld wächst ständig. War Mitte März die Bereitschaft noch hoch, die Kontaktbeschränkungen einzuhalten, hat diese Bereitschaft inzwischen deutlich nachgelassen. Die behördlichen Auflagen werden weitgehend ignoriert, allenfalls die Maskenpflicht zeigt noch halbwegs Wirkung. Deswegen sind die Erwartungen hoch, eine App könne im Fall einer Infektion wenigstens dessen Verbreitung eindämmen. Doch kann die Corona-App das überhaupt leisten? Worin unterscheiden sich die Ansätze? Warum ist letztlich die Entscheidung für den DP3T-Standard, die dezentrale Lösung gefallen?
Das Web-Seminar beschreibt die verschiedenen Lösungsmodelle, deren Chancen und Risiken. Dabei geht es auch um Fragen wie:,
Werden beim digitalen Corona-Tracing personenbezogene Daten verarbeitet?
Wie können die Daten aus der App bei der epidemiologischen Forschung helfen?
Welche gesellschaftlichen Forderungen an Tracing-Apps gibt es?
Über den Referenten:
Jochim Selzer arbeitet hauptberuflich als Linux-Applikationsadministrator bei einem internationalen Logistiker. Ehrenamtlich engagiert er sich beim Chaos Computer Club und veranstaltet dort Praxisseminare zur IT-Sicherheit für Laien (Cryptoparties), gibt Seminare zu netzpolitischen Themen beim Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftbundes (DGB) sowie der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und ist ehrenamtlicher Datenschutzbeauftragter zweier Kirchenkreise sowie der Evangelischen Frauenhilfe im Rheinland.
Zeit: 14. Mai 2020 um 19:00 - 20:30
Veranstalter: Evangelische Akademie im Rheinland, info@akademie.ekir.de
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