Das Jahr hat gerade erst begonnen und schon gibt es Bilder, die dieses Jahr überdauern werden: der Sturm der Trump-Anhänger:innen auf das Kapitol, das «Herz» der amerikanischen Demokratie. Was dort kulminierte, war das vorläufige Ende einer Entwicklung, die sich durch die gesamte Amtszeit Trumps zog, Polarisierung, Desinformation und Radikalisierung der Trump-Anhänger, von Trump selbst auch in den sozialen Medien befeuert, vor allem auf Twitter.
Fakenews – Trump selbst machte dieses Wort in seiner Amtszeit zum Modewort, um kritische Medien und Journalisten ins Abseits zu stellen. Doch auf der von ihm bevorzugten Social-Media-Plattform verbreitete er selbst gerade solche Fakenews, mit solcher Vehemenz, dass Twitter im Sommer 2020 Tweets von @realdonaldtrump mit Warnhinweisen versah. Nach den Ereignissen des 6. Januar 2021 hat ihn jetzt nicht nur Twitter gesperrt, sondern auch Facebook und Reddit. Dem schlossen sich Amazon, Apple, Discord, Google, Pinterest Reddit, Shopify, Snapchat, Stripe, TikTok und Twitch an.
Dadurch ist aber auch die mediale Debatte über «Deplatforming» erneut aufgelebt. Hinter diesem Begriff steht die Einschränkung der Verbreitungsmöglichkeiten einer Person auf einer digitalen Plattform durch das Löschen oder Sperren des Profils, unter Hinweis auf Verstößen gegen die Verhaltensrichtlinien der Plattform. Facebook, YouTube, Twitter und Co. wenden Deplatforming bereits seit einigen Jahren an, machen jedoch Ausnahmen bei Politiker:innen.
Grundsätzlich wird Deplatforming kontrovers diskutiert. Zur Sperrung von Trump auf Twitter schrieb jetzt Simon Hurz in der Süddeutschen Zeitung, dass die Entscheidung gleichzeitig richtig, lange überfällig und hochgradig problematisch sei. Eine zentrale Frage dabei ist, wie viel Macht private Unternehmen im öffentlichen Diskurs und letztendlich auch auf die Verbreitung von Meinungen haben sollten. Social Media sind gesellschaftliche Debattenräume. Müsste hier Handeln nicht viel stärker demokratisch legitimiert werden statt dass die Entscheidungen kommerziell orientierten Konzernspitzenüberlassen werden? Wie steht es um den transparenten Umgang mit Sperrungen? Gibt es andere wirksame Mittel, z. B. die Veränderung von Algorithmen?
Für eine Regulierung, die bisher fehlt, müsste die Politik einen Rahmen schaffen – was mit dem «Netzwerkdurchsetzungsgesetz» in Deutschland und dem «Digital Service Act» in Europa zwar begonnen, aber keinesfalls beendet ist. Darüber hinaus zeigt sich, dass gesperrte Kanäle und Profile sich neue Wege suchen und schnell wieder in Alternativmedien auftauchen.
Die Journalistin Karolin Schwarz geht auf die aktuellen Ereignisse in den USA ein, bezieht aber auch Deutschland und die Europäische Union in ihren Vortrag ein. Karolin Schwarz ist freie Autorin, Journalistin, Faktencheckerin und Trainerin. Beiträge von ihr erscheinen beim ARD-Politikmagazin Kontraste, dem Faktenfinder, Buzzfeed und Motherboard. Sie beschäftigt sich vor allem mit digitalen Ausprägungen des Rechtsextremismus, Desinformation und der Schnittstelle zwischen Internet und Gesellschaft. Ihr Projekt Hoaxmap, das Fakes über Geflüchtete, Black und People of Color sichtbar macht, wurde für verschiedene journalistische Preise nominiert. Im Februar 2020 erschien ihr Buch «Hasskrieger: Der neue globale Rechtsextremismus» im Verlag Herder. Auf Twitter ist sie unter @raeuberhose zu finden.
Zeit: 26. Januar 2021 um 19:00 - 21:00
Ort: Online
Veranstalter: Evangelische Akademie im Rheinland, info@akademie.ekir.de
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