Der Kapitalismus war in seinen Anfängen eine Utopie. Als sie der britische Nationalökonom Adam Smith, ein Moralphilosoph, entwarf, wurde er verspottet. Wer heute als renommierter Wirtschaftshistoriker die Entwicklung des globalen Kapitalismus untersucht und ihn als eine Option für die Armen bezeichnet, wird in den Sozialen Medien schnell zum Hassobjekt. Zur gleichen Zeit sagt Wladimir Putin in einem Interview mit der «Financial Times», dass liberale Ideen «ihren Sinn bereits überlebt» hätten und in der künftigen Gesellschaft nicht mehr gebraucht würden.
Besonders in der Migrationsgesellschaft brauchen Menschen die Hoffnung, dass sie durch eigene Arbeit für ihre Kinder eine gute Ausbildung und den sozialen Aufstieg ermöglichen können. Vielen gilt der Kapitalismus nur als erträglich, wo er mit einem starken Wohlfahrtsstaat verkoppelt wurde. Umgekehrt speist sich der anwachsende Wohlfahrtsstaat aus einer wachsenden Wirtschaft. Das Unbehagen im Kapitalismus ist nicht neu, artikuliert sich heute aber wieder stärker.
Heute stehen wir vor den planetaren Grenzen und dem Ende des beständigen wirtschaftlichen Wachstums. Aber neben Ökologie geht es auch um Gemeinschaft: Wie hängen Kapitalismus, Freiheit und offene Gesellschaft zusammen? Autoritäre Lösungen, die Feinde der offenen Gesellschaft sind weltweit auf dem Vormarsch. Demokratie und Durchlässigkeit einer Gesellschaft sind jedoch untrennbar aufeinander bezogen. Wie stellen wir sicher, dass an Chancen auf Bildung und sozialen Aufstieg alle teilhaben können? Geht das auch mit neuen Formen der Vergemeinschaftung und ist Freiheit dabei entbehrlich?