Mündigkeit hat viele Facetten – nicht nur aus philosophischer Sicht, sondern auch ganz praktische. Wer für sich sprechen kann und will, benötigt nicht unbedingt die Fürsprache anderer. Wer sich selbst als handlungs- und urteilsfähig begreift, muss nicht vor schwierigen, unangenehmen, fragwürdigen oder hässlichen Aussagen oder Situationen geschützt werden. Er kann sie selbst meistern. Cancel Culture ist ein Anglizismus, der seit einigen Jahren auch in Deutschland verwendet wird und mit unterschiedlichen Bedeutungen gefüllt ist. Zum einen meint er den Widerspruch gegen rassistisches, anti-feministisches oder anderweitig diskriminierendes Sprechen. Zum anderen wird mit diesem Begriff aber auch eine Verengung des Diskurses gesellschaftspolitisch heikler Themen verknüpft, die gar nicht besprochen werden sollen, weil sie unter Umständen Menschen verletzen können. Cancel Culture umfasst inzwischen ein weites Feld von Themen, das von Hassrede bis zum Kulturaustausch reicht und ein generelles Unbehagen bei der Beschäftigung mit Menschen, Ideen, Kulturen und Lebensweisen, die nicht die eigenen sind, beschreibt.Was es mit dem Begriff Cancel Culture und den dahinter liegenden Vorstellungen auf sich hat, wieso er sich entwickelt hat und wo er am häufigsten vorkommt, schauen wir uns bei diesem Termin der Veranstaltungsreihe «Ich und die anderen. Mündigkeit als politische Kategorie und gesellschaftliche Tatsache» zusammen mit Dr. Sven Wortmann einmal genauer an. Als Indologe und Religionswissenschaftler muss er sich im universitären Umfeld regelmäßig mit Fragen der kulturellen Aneignung, des Rassismus und dem Hinterfragen der Ideen der Aufklärung auseinandersetzen. Er beschreibt die philosophische Herkunft des Begriffs der Cancel Culture aus der Rezeption der französischen Schule der Postmodernisten und stellt die Konfrontation der Bildungseinrichtungen mit Menschen, die unterschiedliche Schutzräume für sich einfordern, dar. Darüber hinaus benennt Wortmann die wirtschaftlichen Konsequenzen US-Amerikanischer Eliteuniversitäten, die auf viel Geld zahlende Studierende angewiesen sind.
Die Teilnahme an der Online-Veranstaltung ist kostenfrei.
Zeit: 14. September 2023 um 18:00 - 20:15
Ort: Online-Veranstaltungen
Veranstalter: Evangelische Akademie Villigst, info@kircheundgesellschaft.de
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