Zum Augenblicke dürft ich sagen: Verweile doch, du bist so schön! In einer der ersten Szenen in Goethes Faust II hält der Kanzler ein einfaches Stück Papier in die Luft und erklärt: «Zu wissen sei es jedem, der’s begehrt: der Zettel hier ist tausend Kronen wert». Auch heute schöpfen Banken Geld aus dem Nichts. Und wo bei Goethe die Erfindung des Papiergelds Erstaunen hervorrief, sind es nun Bitcoins, die uns nach Herkunft und Wert des Geldes fragen lassen.
Neben den Veränderungen des Geldsystems sah Goethe im zweiten Teil seines Gelehrten-Dramas aber auch weitere gesellschaftliche Entwicklungen voraus, die heute Realität sind: Wachstumsstreben, der Glaube an Technologie und die Beherrschbarkeit von Natur.
Faust kann als erster global denkender, moderner Unternehmer in einem kapitalistischen System verstanden werden. Wo er Deiche baut, um dem Meer Land abzuringen, fallen heute die Schlagworte «Geoengineering» und «Carbon Capture and Storage». Auch hier versucht der Mensch mithilfe neuer Technologie Herr über die Natur zu werden. Und wenn Fausts ehemaliger Schüler Wagner einen Menschen im Reagenzglas erschafft, ist auch die aktuelle Debatte über Genmanipulation und die Grenzen des wissenschaftlich Möglichen nicht weit.
Gleichzeitig ist im Faust II auch die Rede von den stärkenden Kräften der Natur, die dem Gelehrten neuen Lebensmut gibt, und vom Handeln zum Wohle der Menschen. Ein Ziel, dem sich Faust letztlich verschreibt und dessen Erreichen ihn nach all seinem Streben vielleicht sogar zur Zufriedenheit führen könnte: «Zum Augenblicke dürft ich sagen: Verweile doch, du bist so schön!»
Die Frage, ob es Faust gelingt, die menschliche Vergänglichkeit zu überwinden – ob mithilfe von Wissenschaft, Kunst oder aber der Wirtschaft – ist zentral in Goethes Werk. Dabei sieht Goethe weit voraus und anti-zipiert die Ungeduld und Beschleunigung, welche die Moderne bestim-men werden.
Kann Goethes Drama uns helfen, auch unsere Zeit besser zu verstehen? Welches Verständnis von Mensch, Gott und Natur steht hinter Faust II? Und wie lässt sich die Faustsche Frage nach dem Sinn des Lebens heute deuten?
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Herzliche Einladung in die Evangelische Akademie Tutzing!
Katharina Hirschbrunn, Studienleiterin für Wirtschaft und Arbeitswelt, Nachhaltige Entwicklung, Evangelische Akademie Tutzing
Judith Stumptner, Studienleiterin für Kunst, Kultur, Bildung & Digitales,
Stellvertretende Akademiedirektorin, Evangelische Akademie Tutzing
Zeit: 29. Juni 2018 um 18:00 - 1. Juli 2018 um 13:30
Veranstalter: Evangelische Akademie Tutzing, Info@ev-akademie-tutzing.de
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