«Grenzenlose Gewalt» ist eine Anklageschrift. Ein Autorinnenkollektiv hat darin zusammengetragen, welche Folgen politische und bürokratische Prozesse in der EU für Flüchtende haben können. Oft sehen sich Schutzsuchende gewaltvollen Praktiken ausgeliefert. Mit zwei Autorinnen werden wir diskutieren, was getan werden kann.
Die Europäische Union führt einen «Krieg gegen Flüchtende», davon sind die Autorinnen der Publikation überzeugt. Sind so starke Worte zu Recht gewählt? Haben wir nicht gerade erst große Solidarität für Menschen erlebt, die vor einem tatsächlichen Kriegsgeschehen geflohen sind?
Gemeint sind aber nicht Schutzsuchende aus der Ukraine, sondern diejenigen, die derzeit deutlich weniger Aufmerksamkeit erhalten: Frauen und Männer, die aus anderen Konfliktgebieten kommen oder solche, die wegen des Klimawandels fliehen. Zum Beispiel, weil Hitze- und Dürreperioden ihnen die Lebensgrundlagen entziehen, sodass sie Hunger und Armut leiden.
Fluchtrouten werden immer gefährlicher, illegale Push Backs auf dem Mittelmeer und an den östlichen EU-Grenzen sind an der Tagesordnung, ebenso die Kriminalisierung und Internierung von Flüchtenden in Lagern: Den Autorinnen zufolge hat die EU die tödlichsten Grenzen der Welt. Seit 2014 sind auf der zentralen Mittelmeerroute mehr als 22.000 Menschen bei dem Versuch gestorben, Asyl in Europa zu erhalten. Diese Flüchtenden, davon sind die Verfasserinnen des Buches überzeugt, haben ihre Fluchtversuche nicht nur deshalb mit dem Leben bezahlt, weil sie den Menschen in Europa gleichgültig sind, sondern weil die EU ihre Außengrenzen aktiv abschottet. Sie tut das, obwohl nur ein geringer Teil der weltweit flüchtenden Menschen nach überhaupt Europa zum Ziel hat.
Genau zehn Jahre nachdem die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, beleuchten wir, wie durch europäische Politik und Bürokratie viele Gruppen von Flüchtenden entrechtet und unterdrückt werden oder gar nicht erst auf europäischem Boden ankommen. Zwei Vertreterinnen des Autorinnenkollektivs mEUterei lesen und diskutieren mit uns.