Zeitzeuginnen und Zeitzeugen des Holocaust, des Zweiten Weltkriegs und der kommunistischen Diktaturen werden nur noch eine begrenzte Zeit von ihrem Erleben erzählen können. Vor diesem Hintergrund sprechen wir über Erkenntnisgewinne, Grenzen und die Zukunft der Zeitzeugenarbeit.
Die Geschichte des 20. Jahrhunderts wird seit Jahrzehnten nicht mehr allein über politische Entscheidungen, einschneidende Kriegsentwicklungen oder «große historische Persönlichkeiten» erzählt. Die Geschichtsvermittlung im Dialog mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ist gerade für ein breites Publikum attraktiv. Authentische Berichte von Überlebenden des Holocaust oder von Opfern der kommunistischen Diktaturen bewahren individuelles Erleben, transportieren Alltagserinnerungen und Emotionen. In der Gedenkstättenarbeit in Ost-und Westeuropa werden individuelle Erinnerungen dokumentiert und für die historisch-politische Bildung genutzt. Gerade dabei wird das Thema Zeitzeugenschaft oft auch kritisch hinterfragt. Besonders mit dem Blick darauf, dass die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs nur noch eine begrenzte Zeit erzählen können, wollen wir auch über das Ende der Zeitzeugenschaft sprechen. Die Gedenkorte für die Erinnerung der kommunistischen Diktaturen werden sich in der Zukunft ähnlichen Fragen stellen müssen. Daher wollen wir alle gemeinsam in einen Dialog bringen. Wir diskutieren mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Museen, Zeitzeugenprojekten und historischen Ausstellungen aus ganz Europa über Erkenntnisgewinne, Grenzen und die Zukunft der Zeitzeugenarbeit, über nationale Besonderheiten und grenzüberschreitende Gemeinsamkeiten im Umgang mit der Vergangenheit.
Das Ost-West-Europäische Gedenkstättentreffen in Krzyzowa/Kreisau richtet sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Erinnerungsorten, Museen, Gedenkstätten, Bildungszentren, Menschenrechtsorganisationen oder Zeitzeugenprojekten. Anliegen des Gedenkstättentreffens ist das Kennenlernen sowie der Austausch von Wissen und Erfahrung. Wir laden dazu ein, die nationalen und regionalen Narrative und ihren Einfluss auf das jeweilige Verständnis von der Geschichte des 20. Jahrhunderts gemeinsam zu diskutieren. Wir hoffen, mit einem freien Meinungsaustausch über Wahrnehmungsmuster und Tendenzen unter den Teilnehmern aus unterschiedlichen Ländern einen Beitrag zum tieferen Verständnis und zur Versöhnung in Europa leisten zu können. Das Gedenkstättentreffen hat eine lange Tradition und wir freuen uns, dass wir auch weiterhin zum Diskurs über Wahrnehmung und Erinnerung sowie über die Darstellung von Geschichte und Vergangenheit in den Ländern Ost- und Westeuropas einladen können. Das Seminar ist stark praktisch orientiert und keine wissenschaftliche Konferenz. Wir legen Wert auf den informellen Austausch: offene Gespräche und Reflexionen charakterisieren die Gedenkstättentreffen in Kreisau.
Das Treffen wird simultan Deutsch, Englisch, Polnisch und Russisch gedolmetscht.