Die Gretchenfrage der Religionen lautet «Wie haltet ihr es mit den Frauen?» Denn zu häufig wird die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen religiös begründet und zementiert. Das Christentum gibt ein gemischtes Bild ab und demonstriert dadurch, dass trotz einheitlicher Quellengrundlage noch große Interpretationsspielräume bestehen. Dabei geht die Tendenz in den evangelischen Kirchen weltweit dahin, die Gleichberechtigung der Frauen auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens anzuerkennen und durchzusetzen. Die islamischen Religionsgemeinschaften werden hingegen als besonders problematisch wahrgenommen, so dass «Islam» und «Unterdrückung der Frau» häufig als eines gelten. Doch gehört ein traditionelles Rollenverständnis der Geschlechter wirklich zur unveränderlichen DNA des Islams?
Seyran Ates, die deutsche Rechtsanwältin mit türkisch-kurdischen Wurzeln, wendet sich seit ihrer Jugend gegen die Geschlechtersegregation, die in den meisten muslimischen Gemeinden herrscht und die sie auf eine Übersexualisierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens zurückführt. Gleichzeitig vertritt sie die Auffassung, dass die Identitäten von Menschen sich transkulturell – d. h. aus Aspekten verschiedener Kulturen – zusammensetzen. Mit der Gründung der Ibn Rushd-Goethe Moschee will sie demonstrieren, dass Orient und Okzident eins sind, wie die universellen Menschenrechte.
Im Gespräch mit Prof. Susanne Schröter führt Seyran Ates aus, warum sie ein emanzipiertes Frauenbild für vereinbar mit dem Islam hält und wie sie auf Kritik an ihrer Auslegung der islamischen Lehre reagiert.