Moderner Antisemitismus wird meist losgelöst von religiösen Aspekten betrachtet und folglich als säkulares Problem bearbeitet. Dadurch gerät das Geflecht von christlich geprägten Tiefenstrukturen, von Transformationen zwischen Christlichem und Profanem, von Rekombinationen, Gemengelagen und Aktualisierungen bis hin zum interreligiösen Transfer aus dem Blick, das dem Antisemitismus auch in seinen modernen Ausprägungen zugrunde liegt.
Dieser säkular verengte Blick lässt auch die präventiven Möglichkeiten einer religionspädagogischen oder ethisch orientierten Bildung (ob schulisch oder außerschulisch) ungenutzt. Dabei könnte diese die Themen Antisemitismus bzw. Judentum im Kontext «unserer» Selbstbilder in pluralen Gesellschaften erörtern und damit eine wichtige Ergänzung zur historischen Bildung bilden. Den Blick um die religiöse Dimension zu erweitern, würde auch einen Beitrag dazu leisten, den Antisemitismus wie auch das Judentum nicht nur im historischen Kontext des Nationalsozialismus zu betrachten – eine Forderung, die schon länger und wieder in jüngerer Zeit von der Pädagogik wie der Judaistik und von Vertreter*innen der deutschen Jüdinnen und Juden formuliert wird. Ein solcher Perspektivwechsel würde überdies vorhandene institutionelle Möglichkeiten der Bildung – zum Beispiel Religionspädagogik oder Erwachsenenbildung – grundlegender in die Präventionsarbeit einbeziehen als bislang.
Die öffentliche Podiumsdiskussion bildet den Abschluss einer Fachtagung zum Auftakt des Verbundprojekts «Christliche Signaturen des zeitgenössischen Antisemitismus», das die hergebrachten kategorialen Trennungen in der Antisemitismusforschung auf den Prüfstand stellt und stattdessen die fortwährende Gemengelage von «modernen» (rassistisch hergeleiteten) und «traditionellen» (christlich-theologisch begründeten) antijüdischen Vorurteilen in den Fokus nimmt. An dem Forschungs- und Praxisverbund beteiligt sind das Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg, das Georg-Eckert-Institut | Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, die Evangelischen Akademien in Deutschland e. V. und das Netzwerk antisemitismus- und rassismuskritische Religionspädagogik und Theologie (narrt).
Bitte melden Sie sich zur Podiumsdiskussion in der Französischen Friedrichstadtkirche auf dem Berliner Gendarmenmarkt online an.
Informationen zur vorausgehenden Fachtagung finden Sie hier.
Einführungsvortrag von Prof. Dr. Yaacov Ariel, University of North Carolina at Chapel Hill:
«A built-in Grudge: Christian Anti-Judaism and Modern Christian Antisemitism, an Historical Overview»
Gesprächspartner:
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (angefragt)
Dr. Andreas Verhülsdonk, Deutsche Bischofskonferenz
Moderation: Dr. Christian Staffa
Zeit: 29. Juni 2022 um 15:30 - 17:00
Ort: Französische Friedrichstadtkirche, 10117 Berlin
Veranstalter: Evangelische Akademie zu Berlin, 030/203 55-0, eazb@eaberlin.de
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