Darf in kirchlich-diakonischen Kliniken und Pflegeeinrichtungen in Ausnahmefällen professionelle Suizidassistenz zugelassen und geleistet werden? In der Evangelischen Kirche ist eine neue Debatte über Beihilfe zum Suizid entfacht. Hochrangige Vertreter*innen aus Kirche und Diakonie sprechen sich in einem aktuellen Positionspapier dafür aus, in kirchlichen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen eine bestmögliche Palliativversorgung zu bieten, sich aber zugleich der Hilfe bei der Selbsttötung nicht zu verweigern. Im Einzelfall sei eine professionelle Suizidassistenz zu ermöglichen. Sie betonen, aus christlicher Perspektive sei die Wahrung der Selbstbestimmung des Menschen zentral.
Der Rat der EKD lehnt die geschäftsmäßige, also wiederholte Suizidassistenz ab. Diese Position wird aktuell vom Ratsvorsitzenden der EKD bekräftigt. Heinrich Bedford-Strohm betont, in kirchlichen Einrichtungen dürfe es keine organisierte Hilfe zur Selbsttötung geben, die dazu beitrage, dass Suizidassistenz eine Option neben anderen werde. Gleichzeitig unterstreicht der Ratsvorsitzende, dass es Dilemmata gebe, «für deren Bewältigung derzeit keine eindeutigen Antworten und Regelungen bestehen».
Hintergrund für die erneute Diskussion in der Evangelischen Kirche ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Februar letzten Jahres. Die Verfassungsrichter leiten aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein Recht auf Selbsttötung ab, das die Inanspruchnahme der Hilfe Dritter einschließt. Dieses Recht auf Suizid gelte ohne Einschränkung, es sei unabhängig vom Motiv für die gewünschte Selbsttötung und stehe nicht in Verbindung zu einer eventuellen Erkrankung.
Auch Patient*innen und Bewohner*innen diakonischer Einrichtungen können nach diesem Urteil den Wunsch äußern, ihr Leben mit Hilfe Dritter zu beenden. Kirche und Diakonie sind herausgefordert, sich hierzu zu positionieren. Für eine solche Standortbestimmung braucht es einen intensiven Austausch zwischen grundlegenden theologischen Positionen und Stimmen aus der Praxis diakonischer Einrichtungen und den betroffenen Berufsgruppen. Es gilt, deutlich zu machen, welche ethischen und gesellschaftlichen Aspekte bei der Umsetzung des BVerfG-Urteils zu berücksichtigen sind, welche Rolle Ärzt*innen und andere Gesundheitsberufe bei der Neuregelung übernehmen sollen und wie sich eine veränderte Rolle der Berufsgruppen ggf. auf deren Verhältnis zu Hilfe- und Pflegebedürftigen auswirkt.
Zeit: 20. April 2021 um 13:15 - 18:15
Ort: Online
Veranstalter: Evangelische Akademie zu Berlin, 030/203 55-0, eazb@eaberlin.de
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