Pressemitteilung: «Neue Anfänge nach 1945?»
Die Wanderausstellung «Neue Anfänge nach 1945? Wie die Landeskirchen Nordelbiens mit Ihrer NS-Vergangenheit umgingen» wurde am 13. Januar 2022 um 18 Uhr in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand eröffnet und ist dort bis Ende Februar zu sehen.
Prof. Dr. Johannes Tuchel begrüßte als Leiter der Gedenkstätte die Podiumsgäste vor Ort und das Publikum aufgrund der Coronapandemie online. Der Livestream ist auf der Website der Gedenkstätte zu sehen: www.gdw-berlin.de/livestream
Das Grußwort von Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (Nordkirche) wurde als Videobotschaft eingespielt. Historiker Dr. Stephan Linck (Studienleiter für Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit der Evangelischen Akademie der Nordkirche) erläuterte die einzelnen Kapitel der Ausstellung und problematisierte die lange Zeit unzureichende Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in der Evangelischen Kirche. Prof. Dr. Stefanie Endlich, eine der drei Kuratorinnen, erklärte Entstehung und Konzept der Ausstellung.
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt sagte anlässlich der bevorstehenden Eröffnung: «Wir freuen uns sehr – und fühlen uns geehrt –, dass die Gedenkstätte Deutscher Widerstand unsere Ausstellung zeigen möchte. So wird sie zum Abschluss ihrer Präsentation an verschiedenen Orten nun auch in der Bundeshauptstadt zu sehen sein. Als Nordkirche haben wir uns mit dem Erbe der NS-Zeit intensiv auseinandergesetzt. Daher ist diese Ausstellung, bei allen Unterschieden, die es im Blick auf die Thematik der Ausstellung zwischen den einzelnen evangelischen Landeskirchen gibt, auch bundesweit von Bedeutung. Im Prozess der Beschäftigung mit dem Umgang der NS-Geschichte in einzelnen Vorgängerkirchen der Nordkirche wurde deutlich: Die selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit ist, auch wenn sie wehtut, Voraussetzung für die eigene Glaubwürdigkeit. Denn dem Wunsch nach Gedenken und Aufarbeitung werden wir nur nachkommen können, wenn wir uns zugleich auch dem Schmerz der Erinnerung stellen und die Frage nach Schuld und Verantwortung nicht ausklammern. Diese wichtige Aufgabe besteht kontinuierlich für eine Kirche, die auf den Gott vertraut, der sich nach biblischem Zeugnis seiner Geschöpfe erinnert und ihrer gedenkt und Wege in eine versöhnte Zukunft eröffnen will.»
Ebenfalls im Stream auf der Website der Gedenkstätte zu sehen sind zwei weitere Begleitveranstaltungen zur Ausstellung:
- Am 3. Februar um 18 Uhr befragt die Journalistin Sigrid Hoff Dr. Stephan Linck zu den Inhalten der Ausstellung.
- Am 10. Februar um 18 Uhr stellt Beate Rossié, eine der Kuratorinnen der Ausstellung, ihre Dissertation «Kirchenbau in Berlin 1933-1945» vor. Im Gespräch mit Pfarrerin Marion Gardei, Beauftragte für Erinnerungskultur der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO)
Hintergrund:
Die von der Evangelischen Akademie der Nordkirche verantwortete Wanderausstellung dokumentiert den langen Weg zur Auseinandersetzung der evangelischen Kirchen in Norddeutschland mit eigener Schuld in der NS-Zeit und danach. Sie geht unter anderem der Frage nach, inwieweit die nationalprotestantische Mentalität, die die Hinwendung zum Nationalsozialismus gefördert hatte, auch nach 1945 wirkmächtig blieb. Im Vordergrund stehen konkrete Fälle aus den früheren nordelbischen Landeskirchen und einzelnen Gemeinden. Dazu wird auch deutlich, wie die evangelischen Kirchen in Norddeutschland nach 1945 zu NS-Tätern und Kriegsverbrechern nicht nur nicht auf Distanz gingen, sondern diese oftmals sogar unterstützten.
Die Ausstellung wurde im Januar 2016 vom damaligen Landesbischof der Nordkirche, Gerhard Ulrich, in der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi eröffnet. Sie war bis 2019 auf dem Gebiet der Nordkirche auf Wanderschaft. Über 100.000 Besucherinnen und Besucher sahen die Ausstellung auf ihren insgesamt 39 Stationen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Auch in Celle auf dem Gebiet der Hannoverschen Landeskirche wurde sie gezeigt.
Grundlage ist ein Forschungsprojekt, mit dem die damalige Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche 2008 den Historiker Dr. Stephan Linck beauftragt hatte. Die Pfingsten 2012 durch Fusion der evangelischen Landeskirchen Nordelbiens, Mecklenburgs und Pommerns gegründete Nordkirche führte den Forschungsauftrag fort. Linck folgte den Spuren kirchlicher NS-Vergangenheit nicht nur in der Nachkriegszeit, sondern bis ins Jahr 1985. Seit 2015 ist Stephan Linck Studienleiter für Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit an der Evangelischen Akademie der Nordkirche.
Weitere Informationen zur Ausstellung unter www.nordkirche-nach45.de
Für den Ausstellungsbesuch in der Gedenkstätte gelten die jeweils aktuellen Corona-Bestimmungen, derzeit 2G.