2. August 2021 | Evangelische Akademie der Nordkirche
Jüdisches Leben in Rostock
Ein multimedialer und interaktiver Stadtrundgang für Jugendgruppen, Schulklassen und andere Interessierte
Zum Jubiläumsjahr „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ hat die Evangelische Akademie der Nordkirche ein multimediales Bildungsangebot präsentiert. Es macht gegenwärtiges und historisches jüdisches Leben in Rostock sichtbar: Eine spannende und lehrreiche Stadttour, nicht nur für junge Menschen.
Wie haben wir das umgesetzt?
Wir nahmen Kontakt zur Jüdischen Gemeinde Rostock und zur Begegnungsstätte Max-Samuel-Haus auf, um mit ihnen gemeinsam diese Stadttour zu konzipieren und zu verwirklichen. Sofort waren sie von der Idee begeistert und wir haben gemeinsam überlegt, wie wir sie umsetzen. Dazu arbeiteten wir mit der App „Actionbound“.
Es war didaktisch und methodisch eine große Herausforderung unser Projekt umzusetzen: Einerseits wollten wir die deutsche Geschichte darstellen, die geprägt war von gezielter Ausgrenzung und Abwertung von Juden bis hin zu dem Massenmord an der jüdischen Bevölkerung. Zudem wollten wir aber auch zeigen, dass gegenwärtiges jüdisches Leben in Rostock von Lebendigkeit und Lebensfreude geprägt ist, und dass jüdisches Leben schon immer vielfältig war und auch heute ist. All das sollte in eine „spielerische“ multimediale Stadttour eingebunden werden, ohne junge Menschen damit zu überfordern.
Auf welche Resonanz stößt die Stadttour?
Die Justizministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Katy Hoffmeister, hat die Tour selbst schon ausprobiert und zeigte sich begeistert: „Eine perfekte Idee, jüdische Kultur zu entdecken, angereichert mit spannenden Aufgaben und kniffligen Quizfragen!“
Auch die jungen Menschen, die bisher teilgenommen haben, waren sehr überrascht, welche Geschichten hinter manchen Häuserwänden stecken. „Ich gehe jetzt mit anderen Augen durch die Stadt, weil ich das Haus nicht nur als Haus sehe, sondern jetzt mehr weiß über die Geschichte von Menschen, die hier gelebt haben.“ sagt eine 15-jährige Teilnehmerin. Ein anderer Teilnehmer ist erstaunt darüber, dass es so viele Denksteine in Rostock gibt, die er vorher noch gar nicht wahrgenommen hat.
Und was kann man konkret entdecken?
Beispielsweise kommt man am ehemaligen Wohnhaus von Prof. Dr. med. Hans Moral vorbei. Ein Denkstein erinnert dort an ihn. Heute ist die Rostocker Zahnklinik nach ihm benannt. Er war als Zahnmediziner ein wissenschaftliches Ausnahmetalent und beispielsweise maßgeblich an der Entwicklung der örtlichen Betäubung beteiligt. Seine Verdienste wurden insbesondere ab 1933 nicht mehr gewürdigt und sogar „unsichtbar“ gemacht. Dabei können viele von uns ihm heute sehr dankbar sein, wenn sie die Betäubung beim Zahnarzt nutzen.
Und wer wusste schon, dass die Gummibürste für Wildlederschuhe in Rostock erfunden wurde? Max Samuel hatte ab 1918 eine der damals größten Firmen in Rostock, die EMSA-Werke. Der jetzige Hauseigentümer hat hier Wohnungen eingerichtet und einiges dafür getan, dass erkennbar ist, dass hier einst diese Fabrik war. Fotos, alte Plakate und Industrielampen erinnern daran und man erfährt, dass Max Samuel von den Nationalsozialisten enteignet wurde.
So lernt man sehr verschiedene Persönlichkeiten kennenlernen und erfährt auch so manche Besonderheit, z.B. welche ungewöhnliche Sportart bei dem jüdischen Sportverein „Makkabi e.V.“ praktiziert wird oder welch lustiges Fest „Purim“ ist, welche Sprachen im Judentum eine wichtige Rolle spielen und welche Wörter in unserem heutigen Sprachgebrauch ihren Ursprung im Hebräischen oder Jiddischen haben.
Immer wieder gibt es auf der Tour einen Bezug zur heutigen Lebenswelt junger Menschen. Das sorgt dafür, dass die Jugendlichen besser an die historische Lebenswelt anknüpfen können, es wird persönlicher und sie können leichter Parallelen und Unterschiede zwischen dem früheren Leben und ihrem heutigen herstellen.
Herzliche Einladung, diese Stadttour zu erleben!
Mit dem Smartphone oder Tablet und der App „Actionbound“ gibt es das Angebot für Gruppen und Einzelpersonen. Jederzeit kann die Entdeckungstour eigenständig und kostenlos durchgeführt werden. Auf Wunsch begleiten wir die Tour und stellen Kontakte zu möglichen Referentinnen und Referenten her.
Die Jugendbildung der Evangelischen Akademie der Nordkirche und ihre Regionalzentren für demokratische Kultur haben diese Actionbound – „Jüdisches Leben in Rostock“ – gemeinsam mit der Rostocker Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur, dem Max-Samuel-Haus, und der örtlichen Jüdischen Gemeinde entwickelt.
Ansprechperson: Claudia Carla