Evangelische Akademien Deutschland
22. November 2021 | Evangelische Akademie Tutzing

Die Jugend hat gewählt

U18-Wahl: Projekt der politischen Jugendbildung


Was wäre, wenn die, die noch am längsten auf dieser Erde leben, wählen könnten? Bei der U18-Wahl haben junge Menschen ihre Stimme zur Bundestagswahl 2021 abgegeben. Die Wahl ist eine Simulation. Auch wenn die Stimmen der Jugend bislang nicht zählen, lässt sich anhand der Wahl erkennen, dass sich beim Thema Wahlalter dringend etwas ändern muss. Die U18-Wahl findet jedes Jahr in ganz Deutschland statt. Mit 262.000 jungen Wähler*innen in Deutschland und 68.000 in Bayern wurde bei der diesjährigen Wahl ein Rekord der Wahlbeteiligung gebrochen. Mit dem hohen politischen Interesse der Jugend geht die Forderung einher, das reguläre Wahlalter abzusenken. In der eigenständigen Jugendpolitik ist das Thema ein Dauerbrenner.

Die Ergebnisse der U18-Wahl wurden am 20. September 2021 wie folgt veröffentlicht: Deutschlandweit lagen Bündnis 90/Die Grünen mit 21 Prozent vorn, die SPD kam auf 19 Prozent und CDU/CSU auf 17 Prozent. Weitere detaillierte Ergebnisse der Wahl kann man auf der U18-Wahlseite des Deutschen Bundesjugendrings einsehen. Das zeigt ganz klar, dass junge Menschen politisch sind, in der Politik beteiligt sein und selbst über ihre Zukunft bestimmen wollen. Junge Wähler*innen sind sich der komplexen Themen bewusst. Sie können sich informieren, abwägen, eine Meinung bilden – und wählen. Die hohe Wahlbeteiligung und die Resonanz der angemeldeten Wahllokale bestätigten das einmal mehr.

U18-Wahl: Projekt der politischen Jugendbildung und Brückenbauer

Begleitend zur Wahl fanden in den U18-Wahllokalen vorab Informationsveranstaltungen für Kinder und Jugendliche statt. Nach der U18-Wahl wird es nun darum gehen, diese Wahlergebnisse an Orten politischer Bildung zu evaluieren. Politische Beteiligung, beispielsweise an Wahlen, betont die politische Mündigkeit junger Menschen. Wählen dürfen bei der U18-Wahl alle Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren, die es möchten. Die Idee zur U18-Wahl entstand 1996 in einem Jugendtreff in Berlin – der zum ersten Wahllokal wurde. Organisiert wird die U18-Wahl vom Deutschen Bundesjugendring, dem Deutschen Kinderhilfswerk, den Landesjugendringen, wie beispielsweise dem Bayerischen Jugendring, vielen Jugendverbänden und dem Berliner U18-Netzwerk. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie die Bundeszentrale für Politische Bildung unterstützen dieses Projekt.

Allem voran ist die U18-Wahl ein Projekt der politischen Jugendbildung. Ein Ziel ist, jungen Menschen einen Zugang zum Thema Politik und Wahlen anzubieten. Durch die U18-Wahl kann zudem ein positiver «Spiraleffekt» zwischen Politiker*innen und der Jugend entstehen: Die U18-Wahlergebnisse können ein Anlass für Politiker*innen sein, sich wieder mit den Interessen der Jugend zu befassen, die dadurch jüngeren Themen würden die Politik attraktiver für die Jugend machen, Jugendliche würden sich mehr mit Politik beschäftigen und dies Politiker*innen rückmelden, die sich ihrerseits wiederum mit den Themen der Kinder und Jugendlichen auseinandersetzen, so das U18-Wahlkonzept. Die U18-Wahl kann also eine Brücke sein um Politik und Jugend zu verbinden und bietet einen Gesprächsanker in Angeboten der politischen Jugendbildung.

Wahlrecht bedeutet Teilhabe

Die U18-Wahlen als Projekt der politischen Jugendbildung sind eng mit dem Thema der Wahlalterabsenkung verbunden. Die Wahl zeigt: Junge Menschen wollen wählen. Junge Menschen können und müssen im politischen Geschehen mitgedacht werden. Mit der Absenkung des Wahlalters könnte die Jugend als Wahlberechtigte die Demokratie stärken. Wahlrecht bedeutet Teilhabe und politische Beteiligung. Der Bayerische Jugendring (BJR) koordiniert die U18-Wahl in Bayern. Und fordert seit 2005 eine Absenkung des aktiven Wahlrechts auf das 14. Lebensjahr von der Kommunal- bis zur Europawahl. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend setzt sich für die Wahlalterabsenkung auf 16 Jahre ein. Was die neue Koalition hierzu beschließen wird?!

Historisch gesehen ist das Wahlrecht nicht statisch, wie auch der BJR ausführt: So gibt es das Frauenwahlrecht erst seit 100 Jahren. Heute ist es vor allem an die Volljährigkeit geknüpft, die mit 18 Jahren beginnt. Bis 1975 noch (auf dem Gebiet der früheren BRD) beziehungsweise bis 1950 (in der DDR) waren junge Menschen erst ab dem Alter von 21 Jahren volljährig und wahlberechtigt. In Bundesländern wie Niedersachsen können heute bereits 16-Jährige bei der Kommunalwahl ihre Stimme abgeben. Das Wahlalter wandelt sich also – ganz so, wie die Gesellschaft selbst.

Klimakrise – Das Thema brennt, erst recht für die Jugend

Durch eine Wahlalterabsenkung würde sich auch der Anteil der Erstwähler*innen erhöhen, denn 2021 ist dieser Anteil mit 2,8 Millionen Erstwähler*innen und somit 4,6 Prozent aller Wahlberechtigten so gering wie lange nicht mehr, so die Forsa-Umfrage. Betrachtet man den Anteil der Menschen zwischen 18 und 35 Jahren, die in Deutschland wahlberechtig sind, fällt auf, wie gering er ist: Von insgesamt 60,4 Millionen Wahlberechtigten sind es gerade mal 8,4 Millionen. Durch den demografischen Wandel nimmt der Anteil junger Wahlberechtigter weiter ab und die Generation über 65 Jahren wird prozentual größer. Hieraus könnte eine Ungleichheit in den politischen Fokusthemen entstehen: Ein klares Jugendthema ist der Forsa-Umfrage zufolge unter den Erstwähler*innen die Klimakrise. 60 Prozent der jungen Befragten sehen hier einen politischen Fokus, in der Gesamtbevölkerung ist es nur ein Viertel. Die Klimakrise ist aber kein Jugendthema, sondern ein Thema für alle. Es braucht eine lebenswerte Zukunft für alle.

Ansprechperson: Julia Wunderlich