Evangelische Akademien Deutschland
Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung

Jugendpolitische Thesen zum Aufwachsen in Ostdeutschland

Ein Gespräch mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages


Im Rahmen eines parlamentarischen Gesprächsfrühstücks am 11. Mai im Haus der EKD in Berlin wurden neun jugendpolitische Thesen aus dem Projekt «Von wegen anders – Jugendpolitik Ost» vorgestellt und mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages diskutiert.

Das Netzwerkprojekt der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (et) brachte in den letzten zwei Jahren Fachkräfte der Jugendarbeit mit (jugend-)politischen Entscheidungsträger*innen ins Gespräch und fragte nach Zielen und Herausforderungen für einzelne Regionen in Ostdeutschland. Die wichtigsten Ergebnisse aus den Fachgesprächen wurden kürzlich in Form eines Thesenpapiers veröffentlicht und stehen hier zum Download bereit.

Der Einladung zum Gesprächsfrühstück folgten Emilia Fester, MdB (Bündnis 90/Die Grünen), Fabian Funke, MdB (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), Heidi Reichinnek, MdB (Die Linke) und Fraktionsreferent Hendrik Schmitz (CDU/CSU). Gemeinsam mit der Projektgruppe und weiteren Fachkräften aus der Jugendarbeit befassten sie sich mit folgenden Fragen:

  • Welche Rolle spielt Jugendbeteiligung beim Abbau von Demokratieskepsis?
  • In der Diskussion um die sozial-ökologische Transformation steht für junge Menschen aus Ostdeutschland verstärkt die soziale Frage im Mittelpunkt. Wie lässt sich diese Perspektive jugendpolitisch und in der politischen Bildung aufgreifen?
  • Junge Menschen sind von den aktuellen Krisen in besonderer Weise betroffen. Welche jugendpolitischen Implikationen ergeben sich daraus?
  • Wie lassen sich in städtischen und ländlichen Räumen mehr konkrete Orte für junge Menschen schaffen?
  • Was braucht es, um der Herausforderung von Fachkräftemangel und prekären Beschäftigungsbedingungen in der Jugendarbeit entgegenzuwirken?

In der Diskussion wurde deutlich, dass Jugendliche in Ostdeutschland häufig Strukturen vorfinden, die ihnen ein Engagement für eine lebendige Demokratie erschweren. Dies führt unter anderem dazu, dass ostdeutsche Perspektiven in der Politik unterrepräsentiert sind. Die Teilnehmenden des Gesprächsfrühstücks formulierten die Notwendigkeit, sowohl engagierten Jugendlichen den Rücken zu stärken als auch gezielt jene einzubeziehen, die (noch) nicht gehört werden.

Als Anliegen wurde weiterhin formuliert, dass es neue Ideen braucht, wie neben jungen Menschen auch deren Familien in Projekte eingebunden werden können. In der Bildungsarbeit in Ostdeutschland begegnen Pädagog*innen häufig Jugendlichen aus Familien, die im Zuge der deutschen Wiedervereinigung umfassende Transformationsprozesse erlebt haben. Diese Erfahrungen stellen eine wichtige Ressource für die Gestaltung gesellschaftlichen Wandels dar, werden aber – so die Wahrnehmung der Beteiligten – noch nicht in konstruktiver Weise abgerufen.

Um bestehende Bildungsformate auszubauen und gerade in Krisensituationen auf kurzfristig zur Verfügung gestellte Fördertöpfe wie „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ oder „Das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit“ reagieren zu können, braucht es die Förderung von hauptamtlichen Strukturen. Das machten die Kolleg*innen des et-Netzwerks deutlich und betonten die Notwendigkeit einer besseren Ausfinanzierung und Stärkung der Jugendarbeit, beispielsweise durch mehr festangestellte Fachkräfte.

Was kann darüber hinaus auf Bundesebene getan werden? Dass das Demokratiefördergesetz derzeit noch Fragen nach einer geeigneten Strukturierung von Fördergeldern offenlasse, war ebenso Gesprächsthema wie der Umstand, dass gerade in Krisensituationen immer wieder Kürzungsdebatten auf den unteren Ebenen der Jugendarbeit stattfinden. Auch äußerte die Projektgruppe den Vorschlag, den Blick darauf zu richten, in welchem Verhältnis Projektstrukturen und Regelförderstrukturen bestehen und wachsen, um zu prüfen, ob sich strukturelle Schwierigkeiten bereits auf Bundesebene anpassen lassen.

Alle Beteiligten waren sich einig, dass bei der Festlegung neuer Richtlinien auf die Expertise vor Ort gehört und partnerschaftlich diskutiert werden müsse. Insofern wurde der gegenseitige Wunsch formuliert, den Austausch in Formaten wie diesem fortzusetzen.

Text: Luisa Liebtrau

Kontakt: Hanna Lorenzen